Wie geht es jetzt weiter?
Zu einer sportlichen Farce ist der Abschluss der Saison 2019/21 auf NRW-Ebene verkommen. Von den 70 angesetzten Spielen haben nur 25(!) stattgefunden. In der Oberliga fielen sieben von zehn Begegnungen aus, in den beiden NRW-Ligen fanden 14 der 20 Matches nicht statt. In den vier NRW-Klassen wurden 24 der 40 Mannschaftskämpfe abgesagt. Die «Erfolgsquote» von knapp 36% ausgespielten Mannschaftskämpfen spricht Bände, die Gründe für die Absagen sind vielfältig.
Um es mit dem Titel dieses Artikels auszudrücken: Die NRW-Schachspieler haben mit den Füßen abgestimmt.
Auch in dieser Runde ereignete sich ein Zwischenfall, der Regelfanatiker «regelrecht» – dieses Wortspiel konnte ich mir nicht entgehen lassen – in Entzücken versetzen dürfte. Am gestrigen Samstag in der Nachholpartie SG Porz 2 gegen den SV Bergneustadt/Derschlag waren beide Teams angetreten. Der Mannschaftskampf wurde aber mit 8-0 für Porz gewertet. Bergneustadt hatte zwei Spieler aufgestellt, die zum 30.6.21 in einen anderen Landesverband wechseln mussten und nicht mehr ans Brett durften.
Pikant an der Geschichte: Der so bestrafte Gast hatte einer Spielverlegung vom 26.6.21 auf den 3.7.21 zugestimmt, da Porz wegen der vor einer Woche zeitgleich mit den NRW-Wettbewerben stattfindenden Deutschen Vereinsmeisterschaft der Jugend in Willingen benachteiligt gewesen wäre.
Wir waren von dieser Wechselfrist im letzten Match übrigens auch (fast) betroffen. Holger Lehmann hat uns zur neuen Saison 21/22 in Richtung Niedersächsischer Schachverband verlassen und hätte zwar in Niederkassel, aber nicht mehr gegen Godesberg spielen dürfen.
Spannend wird es zu einem weiteren Stichtag. Bis zum 15.8.21 – dem letzten Feriensonntag in NRW – müssen die Vereine auf NRW-Ebene und hier im Schachverband Münsterland ihre Mannschaften melden. Die namentliche Meldung der Aufstellungen muss bis spätestens 10.9.21 erfolgen. Der Spielbetrieb auf NRW-Ebene soll dann Ende Oktober nach bekanntem Muster wie in der Zeit vor Corona starten. So ist zumindest mein aktueller Kenntnisstand.
Ich befürchte, dass es um diesen Termin herum in manchen Regionen zu einem bösen Erwachen kommen wird. Schon beim jetzigen Saisonabschluss auf NRW-Ebene haben nur wenige der spielenden Teams mehr als fünf ihrer acht Stammspieler aufstellen können.
Nicht jeder Verein hat es in den vergangenen 15 Monaten der Pandemie geschafft, seine Mitglieder durch z.B. Onlineangebote bei der Stange zu halten. Die fehlenden Vereinsabende sowie ausgefallene Mannschaftswettbewerbe und Einzelturniere, Trainings und Schach AGs oder abgesagte Versammlungen und Saisonabschlussfeiern werden mancherorts dazu geführt haben, dass der Kontakt der Spieler untereinander eingeschlafen oder abgerissen ist.
Der Schachclub Rochade Emsdetten hat nach offizieller Zählung etwas mehr als 100 Mitglieder. In der Saison 2019/21 hatten wir fünf Senioren- und eine Jugendmannschaft mit etwa 65 Aktiven gemeldet. Auch wir werden jetzt einige Spieler verlieren, konnten jedoch im Gegenzug durch unsere Onlineangebote neue Interessenten gewinnen.
Zur Zeit machen wir mit Hilfe der Mannschaftsführer eine Art «Kassensturz», der allerdings durch die beginnenden Sommerferien und die für den Herbst eher unklare Lage rund um Corona erschwert wird. Definitiv werden uns einige Spieler verlassen oder mit dem Schach ganz aufhören. Bei einigen anderen stehen berufliche Veränderungen, Abitur oder ein beginnendes Studium an.
Wir hoffen zwar, auch in der kommenden Saison fünf Senioren- und eine Jugendmannschaft melden zu können. Aber obwohl wir hier in der Region in einer vergleichsweise guten Lage sind, kann es durchaus sein, dass wir die ein oder andere Mannschaft zurückziehen bzw. abmelden müssen. Wie sieht es dann erst in Vereinen mit einer wesentlich dünneren Personaldecke aus? Oder in Clubs, die während der Pandemie ganz untergetaucht sind?
Das ziemlich unflexible, meist auf acht Spieler je Mannschaft ausgerichtete System mit fester Aufstellung und höchstens zweimaligem Einsatz von Spielern aus den unteren Ligen macht eine Entscheidung in der jetzigen Situation auf jeden Fall nicht einfacher. Die Bundesturnierordnung (BTO) oder besser einige darin enthaltenen «g-Bestimmungen» sorgen zudem dafür, dass die Möglichkeiten eines der Situation angepassten Spielbetriebs für die erste Zeit nach Corona in den unteren Ebenen ebenfalls eingeschränkt sind.
Ein weiterer Aspekt bereitet mir persönlich etwas Sorgen. Zwei Tage vor der 8. Runde der jetzt abgeschlossenen Saison hatte der NRW-Spielleiter (eigenmächtig?) die zuvor im Bundesspielausschuss einstimmig beschlossene 3-G-Regel außer Kraft gesetzt. Bußgeldbefreite Spielabsagen waren zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht mehr möglich.
Was wird in der Saison 21/22 passieren, wenn wir uns während einer mit ziemlicher Sicherheit kommenden 4. Coronawelle auf ein Hygienekonzept des SBNRW verlassen, aber dieses wieder kurzfristig «par ordre du mufti» vom Tisch gewischt wird? Trotzdem antreten? Auf den letzten Drücker nach Ersatzspielern suchen? Bretter freilassen und Bußgeld bezahlen? Nicht spielen und im Wiederholungsfall disqualifiziert werden? Den kürzlich auf der Webseite des SBNRW veröffentlichten Vorsatz,
«Einigkeit bestand darin, dass die Gesundheit der Spielerinnen und Spieler absoluten Vorrang hat…»
genieße ich angesichts der für mich nicht nachvollziehbaren Entscheidung vom 24.6.21 auf jeden Fall eher vorsichtig.